Die Reisen mit meiner Tante by Graham Greene

Die Reisen mit meiner Tante by Graham Greene

Autor:Graham Greene [Greene, Graham]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-17T16:00:00+00:00


16

Zuerst war es mir, als wäre ich in eine andere und glücklichere Welt zurückgekehrt: ich war wieder daheim, am späten Nachmittag, während die langen Schatten fielen; ein Junge pfiff eine Beatles-Melodie und in der Ferne jaulte ein Motorrad die Norman Lane hinauf. Welche Erleichterung, mein Zustellrestaurant anzurufen und eine Spinatcremesuppe, Lammkoteletts und Cheddarkäse zu bestellen: eine bessere Mahlzeit, als ich in Istanbul gehabt hatte. Dann ging ich in den Garten. Major Charge hatte die Dahlien vernachlässigt; es war ein Vergnügen, ihnen Wasser zu geben, die trockene Erde trank es wie ein durstiger Mann, und fast konnte ich mir vorstellen, wie die Blumen durch ein Aufrichten der Blütenblätter darauf reagierten. Die Deuil du Roy Albert war schon zu sehr hinüber, um sich noch zu erholen, aber die Farbe der Ben Hurs nahm einen neuen Schimmer an, als wäre das lange, trockene Wagenrennen nur noch Erinnerung. Major Charge schaute über den Zaun und fragte: »Schöne Reise gehabt?«

»Ganz interessant, danke«, sagte ich reserviert und goß das Wasser in einem dicken Strahl auf die Wurzeln. Die lächerliche Tülle, die keinem vernünftigen Zweck dient, hatte ich abgenommen.

»Ich habe sehr achtgegeben, ihnen nicht zuviel Wasser zu geben«, sagte Major Charge.

»Die Erde sieht wirklich sehr trocken aus.«

»Ich halte Goldfische«, sagte Major Charge. »Wenn ich fort bin, gibt ihnen meine verflixte Putzfrau immer zuviel Futter. Und wenn ich heimkomme, ist von den kleinen Scheißern die Hälfte tot.«

»Blumen und Goldfische sind zweierlei, Major. In einem trockenen Herbst wie heuer können sie eine ganze Menge Wasser vertragen.«

»Ich hasse Exzesse«, sagte Major Charge. »Genau wie in der Politik. Auf Kommunisten oder Faschisten kann ich verzichten.«

»Sie sind ein Liberaler?«

»Um Gottes willen, Mann«, sagte er, »wie kommen Sie denn darauf?« und verschwand.

Die Nachmittagspost kam pünktlich um fünf; ein Rundschreiben von Littlewoods's, einem Wettbüro, obwohl ich nie spiele, die Garagenrechnung, ein Pamphlet der Freunde des britischen Empire, das ich sofort in den Papierkorb warf, und ein Brief mit einer südafrikanischen Marke. Die Adresse war mit der Maschine geschrieben, deshalb erkannte ich nicht gleich, daß er von Miss Keene stammte. Außerdem war ich durch eine Packung Omo abgelenkt, die am Fußabstreifer lehnte. Ich hatte ganz sicher kein Waschmittel bestellt. Als ich näher hinsah, bemerkte ich, daß es ein Werbegeschenk war. Wieviel Geld diese Fabrikanten doch hinauswerfen, wenn sie nicht die Läden am Ort mit der Verteilung beauftragen! Die hätten gewußt, daß ich längst regelmäßig Omo kaufte. Ich nahm das Päckchen mit in die Küche und bemerkte erfreut, daß meines beinahe leer war und ich nun kein neues zu kaufen brauchte.

Es war allmählich kühl geworden, und ich drehte den Elektroofen an, bevor ich den Brief öffnete. Ich erkannte sofort, daß er von Miss Keene war. Sie hatte sich eine Schreibmaschine gekauft, aber es war deutlich zu sehen, daß sie noch nicht viel Übung hatte. Der Zeilenabstand war unregelmäßig, und ihre Finger hatten oft die falschen Tasten erwischt oder überhaupt einen Buchstaben ausgelassen. Sie sei, schrieb sie, nach Koffiefontein gefahren – drei Stunden auf der Straße –, um im Kino eine Matinee-Vorstellung von Vom Qinde verweht zu sehen.



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